Schwein gehabt – Die Ausgemeindung

25 Jahre, von 1974 bis 1999 dauerte die Verbindung zwischen Oberwesel und Urbar, doch von Anfang an konnte man nicht gerade von einer Liebeshochzeit sprechen. Die Bevormundung durch die Kernstadt, aber vor allem der eingeschränkte Gestaltungsspielraum bei innerörtlichen Vorhaben führten immer wieder zu Problemen und Streitigkeiten. Bereits seit Ende der achtziger Jahren wurden daher immer wieder Bestrebungen zur Lösung von der Stadt Oberwesel unternommen, die dann schließlich 1999 zum Erfolg führten. In der „Verfügung über die Rückneugliederung des Ortsteiles Urbar aus der Stadt Oberwesel und Bildung der Ortsgemeinde Urbar mit Wirkung vom 13. 6.1999“ durch die Kreisverwaltung des Rhein-Hunsrück-Kreises wurde für Urbar festgelegt (Unterzeichner war Landrat Fleck – mit Datum vom 25.2.1999).

1. Ausgliederung aus Gründen des Gemeinwohls
2. Bildung der Ortsgemeinde Urbar
3. Die Ortsgemeinde Urbar ist Rechtsnachfolger der ausgegliederten Teile.
4. Vermögen des Ortsbezirks einschließlich Lasten und Verbindlichkeiten geht auf die neue Ortsgemeinde über.
5. baldiges Ortsrecht ist für Urbar anzustreben
6. Anordnung der Wahlen zum Gemeinderat und Bürgermeisterwahl, Wahltag: 13.6.99
7. Beauftragter der Aufsichtsbehörde: Oberamtsrat M.Parma, Büroleiter der Verbandsgemeindeverwaltung in Oberwesel.

Übernommen wurden die im Eingemeindungsvertrag vom 13./14.12.1973 auf die Stadt Oberwesel übergegangenen Anlagen und Einrichtungen. Bei der Ausgemeindung hatte die nun wieder selbstständige Gemeinde Urbar eine Schuldenquote von etwa 850 000 DM anteilig von der Stadt Oberwesel zu übernehmen.

„Schwein gehabt aus vollem Herzen“, so lautete denn auch die Überschrift eines Artikels, der am 27.9.1999 im Lokalteil der Rhein-Hunsrück-Zeitung abgedruckt war. Im Beitrag ging Redakteur Ingo Lips – selbst ein Urbarer – auf das Freiheitsfest am Wochenende vorher ein, als im Winzerkeller die wiedergewonnene Selbstständigkeit gefeiert wurde. Vorgestellt wurde auch das vom Urbarer Künstler Willy Heinzen geschaffene Freiheitssymbol: Die Urbarer Freiheits-Wutz

Freiheits-Wutz

Dies Kunstwerk steht in Ewigkeit
für Urbars Unabhängigkeit.
Damit wird dem Betrachter klar,
die Wutz stellt Urbars Freiheit dar!

Das Schwein ist frei in der Natur,
auch dafür steht hier „die Skulptur“!
Sie zeigt humorvoll, nicht frivol
uns doch so plastisch als Symbol
ganz elegant und ungezwungen,
dass „Urbars Freiheitskampf“ gelungen.

Urbars ältester bekannter Sohn
ist Antonius, der Schutzpatron.
Schon dieser wählte sich zum Schutz
als besten Freund nichts als „die Wutz“.

Durch die Idee stark inspiriert
wurd Willi Heinzen engagiert.
Des Künstlers Werk, es ist Beweis-
die Sau ist endlich weg vom Eis.

Drum wollen wir hiermit bekunden,
was mit dem Kunstwerk ist verbunden:

Das Wutzje steht für „Nählsches-Schinken“.
Es lässt die Freiheitsfackel winken,
denn – der Ringelschwanz, der viele Jahr
verkümmert und verbogen war,
ist sozusagen im Affekt
nun voller Stolz emporgereckt!

Ein Glücksschwein ist die Wutz der Hare,
als Sparschwein mahnt es uns zum Spare.
Es karikiert, dass es geklappt,
wir haben nochmal „Schwein gehabt“.
Die „Sau“ ist auf den Kopf gestellt
und zeigt somit der ganzen Welt,
was man will, kann man erreichen,
auch dafür setzt die Wutz ein Zeichen!

Die Urbarer haben Humor,
selbst das geht aus dem Schwein hervor.
Erkennt ihr’s an dem Wutzje nicht
dieses Blinzeln im Gesicht?
Wir nehmen uns so wichtig nicht!

Die Wutz steht auch für Tradition,
für vieler Mühen – fetten Lohn!
So hat man früher überall
in jedem Haus `ne Wutz gehall,-
die man so oft heimlich über Nacht,
sozusagen „schwarz geschlacht“!

Doch steht die Wutz, gar keine Frage
auch für jene tollen Tage:
Kerb, Fassenacht, mit Saus und Braus,
da lassen wir die Wutz heraus!

Drum nehmt die Wutz, wie es gemeint
als Figur, die uns vereint,
wer das begreift durch dies Symbol,
der fühlt sich hier in Urbar wohl!

Verfasser: Jürgen Kind 

Bei aller Freude gab es jedoch auch bedenklich stimmende Aspekte: Etwa die Tatsache, dass ein Schuldenstand von 850.000 DM von der Stadt Oberwesel übernommen werden musste. Doch selbst dieser recht hohe Betrag konnte nicht vom Trennungsvorhaben abschrecken, zumal sich Urbar und Oberwesel nach 25 Jahren politischer Gemeinschaft auseinandergelebt hatten. 

Im Nachhinein sollte sich die wiedergewonnene Selbständigkeit für Urbar allerdings als Glücksfall herausstellen. Zwar ließen die übernommenen Schulden einerseits keine großen gestalterischen Spielräume zu – aufgrund eines verstärkten Engagements und der tatkräftigen Unterstützung aller Bürger wurden jedoch in den Folgejahren Projekte realisiert, die in der Vergangenheit nicht möglich schienen. 

Als Beispiele seien hier nur einige Maßnahmen genannt, die in den Jahren nach 1999 umgesetzt wurden:

  • Bau eines Feuerwehrgerätehauses
  • Unterstützung des SSV Urbar beim Umbau des Sportplatzes in einen Rasenplatz
  • Ausbau-/Neugestaltung des Aussichtspunktes „Maria Ruh“
  • Bau eines neuen Jugendraumes
  • usw.

Die Summe aller durchgeführten Maßnahmen aus der Phase nach der Ausgemeindung finden sich unter der Rubrik „Urbar seit 1999“.

Und trotz all dieser Aktivitäten ist es der Gemeindeverwaltung darüber hinaus noch gelungen, den übernommenen Schuldenstand von EUR 435.000 (1999) innerhalb von 10 Jahren auf nur noch ein Viertel des Ursprungsbetrages zurückzuführen.

Wenn dies mal keine Erfolgsstory ist.